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Das Edikt von Nantes und der Toleranzbegriff

.... Fakten stützen die Wünsche nicht

 

Michael Goebel

 

I. Einführung

Das vierhundertjährige Jubiläum des so genannten Toleranzedikts von Nantes im Jahre 1998 wurde von zahlreichen französischen Politikern zum Anlass genommen, das Gesetz als Produkt der vorbildlichen Geisteshaltung Heinrichs IV. zu loben, an der sich manch ein "intoleranter" Politiker unserer Zeit ein Beispiel nehmen solle. Die meisten der aus demselben Anlass erschienenen wissenschaftlichen Publikationen vertreten dagegen einen anderen Standpunkt: Das Edikt sei nichts weiter als der pragmatische und überaus realistische Lösungsversuch für die Konfliktsituation, in der sich Frankreich im ausgehenden 16. Jahrhundert befunden habe.1 Inwieweit aber ist das Edikt dennoch Ausdruck eines ethisch-moralisch legitimierten Toleranzbegriffs? Oder bildet es vielleicht, wie in den Geschichtlichen Grundbegriffen angenommen, den Ausgangspunkt für eine später stattfindende Diskussion, für die 1598 nur noch nicht das nötige terminologische Instrumentarium bereitstand? Anders gefragt: Beschreiben die im Text verwendeten Begriffe permission und concession das, was wir heute unter Toleranz verstehen?2 Kann man also ein königliches Gesetz, in dem der Begriff keine Verwendung findet,3 überhaupt als Toleranzedikt bezeichnen? Um diese Fragen zu beantworten, muss dieser Aufsatz zunächst zwei Bedeutungen des Wortes "Toleranz" voneinander abgrenzen (II): Bei der Frage nach dem Motiv der Verfasser für das Edikt stellt sich ein kaum überbrückbarer Unterschied zwischen der in den Gedenkveranstaltungen formulierten "Tugend der Toleranz"4 und der pragmatischen Duldung heraus, die sich einem übergeordneten Ziel verschrieben hat – der Wiederherstellung der Eintracht (III). Diese Überlegungen werden vorangestellt, um an ihnen die historischen Rahmenbedingungen (IV) und die konkreten Bestimmungen des Gesetzestextes (V) messen zu können. Für eine solche Diskussion müssen neben den erwähnten Jubiläumspublikationen auch ältere Titel zum Edikt,5 vor allem aber die maßgeblichen begriffsgeschichtlichen Abhandlungen zum Toleranzbegriff berücksichtigt werden.6 Erst in der Auseinandersetzung mit ihnen lässt sich das Toleranzkonzept in der Gedanken- und Vorstellungswelt der Gesetzgeber im Umkreis des Hofes analysieren. Es geht dabei ausschließlich um das Verständnis der Gesetzgeber und nicht etwa um "den" Toleranzbegriff des frühneuzeitlichen Frankreich.

 

II. Zwei Konzepte der Toleranz

Die einheitliche Definition des Begriffs Toleranz, die Hans Rudolf Guggisberg 1976 vorzunehmen versucht hat, gestaltet sich problematisch, da sie sich schon in ihrem Ansatz – "Ein Mensch übt Toleranz, wenn..." 7 – auf die praktische Anwendung eines Konzepts beschränkt und die heute wohl vorherrschende normative ethisch-moralische Dimension des Begriffs ausklammert, bei der Toleranz als tugendhafte Geisteshaltung verstanden wird.8 Fragt man nach den Motiven für Toleranz und behandelt diese Frage als konstitutives Unterscheidungsmerkmal,9 wird deutlich, dass wir es tatsächlich mit zwei grundverschiedenen Konzepten zu tun haben.

Dabei bedarf tolerantes Handeln eines übergeordneten Motivs, durch das sich die Handlung legitimiert. Die heutige abstrakte "Tugend der Toleranz" hingegen legitimiert sich eo ipso, sie bildet selbst ein hinreichendes Motiv für die Handlung. Es zeigt sich also ein erheblicher Unterschied zwischen dem lateinischen tolerare oder tolerantia, die eine zunächst wertfreie Handlung bezeichnen, und der verbreiteten Konnotation des deutschen Wortes "Toleranz" im Sinne einer positiven geistigen Einstellung gegenüber dem Andersartigen.10 Die Tatsache, dass die frühneuzeitlichen Quellen eine deutliche Präferenz für die Verbform gegenüber dem Substantiv aufweisen11 und tolerare deutlich von approbare abgrenzen,12 indiziert eine Verwendung des Begriffs ohne positive ethisch-moralische Implikationen. Die Toleranzdefinition im Wörterbuch der Académie Françoise von 1684 als "Leiden, Nachsicht gegenüber etwas, das man nicht verhindern kann" ("souffrance, indulgence pour ce qu’on ne peut empescher") unterstreicht ein solches wertfreies Verständnis, das sich auf die Handlung und nicht auf eine dahinter stehende Geisteshaltung konzentriert.13 Ein solches nicht moralisch gefärbtes Verständnis des Begriffs wird im Folgenden als "pragmatische Duldung" bezeichnet, deren wichtigstes Merkmal darin besteht, dass sie erst durch das übergeordnete Motiv eine bestimmte Wertung erhält. Diese Form der Toleranz setzt sich aus verschiedenen permissions und concessions zusammen.

 

III. Toleranz und Eintracht

Die Präambel des Edikts lässt keinen Zweifel daran aufkommen, worin dieses übergeordnete Motiv besteht: "Wenn es ihm [Gott] es nun mal nicht erlauben wollte, dass es nur eine Form und Religion gibt" ("S’il ne lui a plu de permettre que se soit pour encore en une même forme et religion"), so soll nunmehr: "das grundsätzliche Fundament ihrer [der Untertanen] Einheit und Einigkeit" ("le principal fondement de leur union et concorde") 14 gelegt werden. Ebenso unzweideutig klärt der Text, welche Religion dieser Eintracht zu Grunde liegen sollte: Artikel 3 ordnet an, dass "die katholische, apostolische und römische Religion in allen Orten wieder eingesetzt und etabliert wird" ("la religion catholique, apostolique et romaine sera remise et rétablie en tous lieux"), ohne irgendwelche Einschränkungen. Dieses Ziel wurde später noch mehrmals explizit formuliert und hatte schließlich auch einigen Erfolg.15 Den Protestanten wird mit der Formulierung "Religion Prétendue Réformée" (Vorgeblich reformierte Religion) im Gegenzug ein zweifelhafter Status zugewiesen. Vor allem aber zeigt die Bestimmung, dass auch die Religion – wenigstens langfristig – gemäß der Formel une foi, une loi, un roi (Ein Glaube, ein Gesetz, ein König) als Teilaspekt dieser Eintracht empfunden wurde.16 Trotz seiner Qualifikation als perpétuel (dauerhaft) und irrévocable (unwiderrufbar) war der provisorische Charakter des Edikts deshalb auch von vornherein intendiert.17

Das Edikt sollte also die Einheit und Eintracht auf der Grundlage des Katholizismus wiederherstellen. Von einer toleranten Geisteshaltung, die von vornherein als ausreichender Grund für tolerantes Handeln betrachtet wird, kann daher keine Rede sein. Die Bestimmungen des Edikts sind vielmehr das untergeordnete Mittel zum Erreichen eines übergeordneten Zwecks, der Eintracht. Toleranz und Eintracht sind dabei, wenn nicht eine contradictio in adiecto, so doch zwei nur schwerlich auf einen Nenner zu bringende Konzepte.18 Vor allem deshalb, weil Eintracht einen Idealzustand bezeichnet, in dem Toleranz nicht mehr notwendig ist, da sich ihr keine Bezugsfläche mehr bietet. Auf eine solche Interpretation im Sinne einer pragmatischen Duldung lassen auch die Entstehungsumstände des Edikts schließen.

 

IV. Rahmenbedingungen des Edikts

Mit der Reformation war das französische Königtum vor ein Problem gestellt, das fürderhin die Durchsetzung der Formel une foi, une loi, un roi verunmöglichte. Den 1562 einsetzenden Religionskriegen, bei denen auch die internationalen Konflikte eine gewichtige Rolle spielten, konnte durch verschiedene Friedensbeschlüsse und "Toleranzedikte" kein definitives Ende bereitet werden.19 Die entschiedensten Verfechter einer solchen nicht militärischen Lösung waren ab 1570 die so genannten politiques, zusammengesetzt aus moderaten Katholiken – Katharina von Medicis Kanzler Michel de L’Hospital oder der Jurist Jean Bodin – und wenigen Protestanten mit einigem Einfluss am Hof.20 Ihr Hauptziel war es, faktische religiöse Duldung zu gewähren mit dem pragmatischen Hintergrund, qua Wiederherstellung der Eintracht die staatliche Autorität aufrechtzuerhalten.21 Mit der Krönung Heinrichs IV. 1589 bestieg erstmals ein Hugenotte den Thron, um jedoch schon vier Jahre später mit der angeblichen Aussage Paris vaut bien une messe (Paris ist eine Messe wert) zu konvertieren. Mit der organisatorischen Stärkung der Reformierten in den Provinzen,22 dem permanenten Druck durch die Spanier von außen und die Glaubensspaltung im Innern schien die Etablierung eines dauerhaften Friedens besonders dringend notwendig, um der ernsthaften Gefahr eines staatlichen Zusammenbruchs zu entgehen.23 Die katastrophale wirtschaftliche Situation wird in diesem Zusammenhang selten erwähnt, dürfte aber ebenfalls eine wesentliche Rolle gespielt haben.24 Durch die Rückeroberung von Amiens am 25. September 1597 von den Spaniern ergab sich schließlich die Chance, den inneren und äußeren Frieden gleichzeitig zu gewährleisten. Das Junktim zwischen dem Edikt und dem Friedensvertrag von Vervins war entscheidend, weil die äußere Bedrohung nicht separat von der inneren Konfliktsituation wahrgenommen wurde.25 Somit bettet sich das Edikt in Rahmenbedingungen, die kaum Anlass zu der Vermutung geben, dass es sich bei den erfolgten Bestimmungen um das Ergebnis neuartiger ethisch-moralischer Überlegungen gehandelt habe. Der Gesetzestext von 1598 – bestehend aus der Präambel, 95 articles généraux, 56 articles secrets ou particuliers und zwei brevets – enthält denn auch kaum Neuerungen gegenüber seinen Vorgängern außer seiner größeren Genauigkeit in Detailfragen.26 Um Rechtskraft zu erlangen, mussten die Präambel und die folgenden articles généraux von königlichen Gerichtshöfen, den so genannten parlements, anerkannt werden, die sich teilweise hartnäckig weigerten dies zu tun.27

 

Proklamation des Edikt von Nantes durch Heinrich IV, englische Miniatur.

 

V. Pragmatische Duldung

1. Gewissensfreiheit

Gewissensfreiheit als Teilaspekt einer religiösen Duldung wurde schon in den 1560er Jahren gefordert und im Edikt durch Artikel 6 28 erfüllt. Sie war jedoch stets Teil einer pragmatischen Argumentation, deren Ideal in der Maxime une foi, une loi, un roi bestand, sodass man 1598 "gerade in Frankreich [...] ihr zukünftiges Auftreten als ‚mot d’ordre‘ nicht voraussehen" kann.29 Diese permission sollte nur gelten, sofern sich die Reformierten "so wie es in Unserem vorgelegten Edikt enthalten ist" ("selon qu’il est contenu en notre présent édit") benahmen (Art. 6) und war überdies durch die Auflagen eingeschränkt, dass alle Untertanen nach wie vor den Zehnten zu entrichten (Art. 25) und das Arbeitsverbot an katholischen Feiertagen (Art. 20) zu berücksichtigen hatten. Dass der Papst an diesem Punkt des Edikts besonderen Anstoß nahm,30 war denn auch weniger auf die Befürchtung einer dauerhaften Glaubensspaltung oder die Ausformung neuartiger – als Tugend verstandener – Begrifflichkeiten zu Ungunsten des Katholizismus zurückzuführen als vielmehr auf einen grundlegenden dogmatischen Skeptizismus gegenüber der Annahme, ein von Gott geschaffenes Wesen könne ein gänzlich freies Gewissen haben.31

 

2. Religionsfreiheit

Dass die Abhaltung von protestantischen Gottesdiensten allen Lehnsherren im Besitz der hohen Gerichtsbarkeit (seigneurs haut-justiciers) in privatem Rahmen ohne Einschränkung genehmigt wurde (Art. 7), lässt sich zweifellos als Versuch werten, zunächst die Forderungen der besonders einflussreichen reformierten Sektoren zu befriedigen.32 Öffentlich war sie nur dort erlaubt, wo sie zwischen dem 1. Januar 1596 und dem 31. August 1597 stattgefunden hatte (cultes de possession, Art. 9), und in zwei Gotteshäusern pro bailliage/sénéchaussée (cultes de concession, Art. 10 und 11).33 Dies stellte zwar die einzige formale Verbesserung gegenüber allen vorherigen Gesetzen dar, beinhaltete aber zugleich absehbare organisatorische Probleme für die Reformierten: Die Beweisführung regelmäßig abgehaltener Gottesdienste vor dem Stichtag gestaltete sich problematisch und die über das gesamte Land gleichmäßig zugestandene Errichtung von Tempeln trug nicht der Tatsache Rechnung, dass die hugenottische Bevölkerung äußerst unregelmäßig verteilt war. So mussten sich schließlich durchschnittlich 1.300 Gläubige einen Tempel teilen.34 Da reformierte Gottesdienste durch Art. 14 am Hof, in Paris und seiner Umgebung sowie durch die geheimen Art. 5 bis 31 in etwa 150 weiteren Städten jedoch generell untersagt wurden, lässt sich kaum von einer Erlaubnis zu grundsätzlich freier Religionsausübung sprechen. Die Detailgenauigkeit, die Bevorzugung der etwa 3.500 seigneurs hauts-justiciers und die voraussehbaren Schwierigkeiten bei der Umsetzung sprechen vielmehr dafür, dass die entscheidenden Ziele darin bestanden, das Edikt im Gegensatz zu seinen Vorgängern auch durchzusetzen,35 vor allem aber Zugeständnisse in einem Ausmaß zu machen, das gerade ausreichend für die Wahrung des Friedens sein sollte.36 Ein moralisch legitimierter Toleranzbegriff lässt sich dabei nicht erkennen.

 

3. Gleichberechtigung

In diesem Sinne sind auch die Regelungen zur sozialen und juristischen Gleichstellung der Protestanten zu verstehen, deren problematische Durchsetzung ebenfalls kalkulierbar oder sogar intendiert war: Der formal freie Zugang zu allen Bildungseinrichtungen (Art. 22) und zu den Gilden und Zünften (Art. 27) schloss die Reformierten nach wie vor von den Berufen aus, die traditionell von katholischen Laien ausgeübt wurden, namentlich dem gesamten Steuer- und Finanzwesen.37 Die Einführung von Sondergerichtshöfen mit paritätischer Besetzung, so genannte chambres miparties, wurde zwar nominell auf acht beziffert (Art. 30-57), de facto aber nur an fünf parlements eingeführt, was letztlich keine Verbesserung des status quo ante bedeutete.38 Aus dem ständigen Ortswechsel des für Toulouse zuständigen parlement mag man zudem den Versuch ablesen, den Reformierten den Weg zu dieser Gerichtsbarkeit zu erschweren, ihn aber andererseits formal aufrechtzuerhalten, um zu "verhindern, daß die Protestanten sich von der königlichen Justiz abwandten."39 Eine solche Lesart erscheint durchaus konsequent, wenn man weitere Artikel ins Auge fasst, die noch deutlicher dazu konstruiert waren, der Gefahr der Bildung einer hugenottischen Enklave entgegenzuwirken.

 

4. Politische Autonomie

So verbot Art. 8240 ausdrücklich jedwede politische Aktivität der reformierten assemblées, die vormals eine wichtige Rolle bei der politischen Willensbildung und ihrer Artikulierung gespielt hatten.41 Das heißt zwar nicht, dass die Abhaltung von assemblées generell untersagt wurde42 - im 43. article particulier wurde sie genehmigt - , drückt aber deutlich die Bestrebung zu einer Minderung ihres politischen Einflusses aus und lässt sich daher kaum als ein politisches Privileg verstehen.43 Folgerichtig mussten die Versammlungen fortan unter der Aufsicht königlicher Kommissare stattfinden und unterstanden somit direkt der Aufsicht der Obrigkeit.44 Nicht anders verhält es sich mit den in den brevets gewährten so genannten places de sûreté,45 die Richelieu später als État dans l’État (Staat im Staate) bezeichnen sollte. Diese auch heute häufig anzutreffende Formulierung mag aus der Perspektive Richelieus einige Berechtigung haben, doch war die Regelung 1598 nicht als neuartiges Privileg – geschweige denn als Unterstützung zur Bildung eines eigenen hugenottischen "Staats" – intendiert.46 Vielmehr legalisierte sie – auf acht Jahre befristet – einen fait accompli, dem militärisch nicht beizukommen war, und wurde konsequenterweise auch nicht verlängert, als sich 1629 die militärischen Kräfteverhältnisse zu Ungunsten der Hugenotten verschoben hatten. Zudem war die im Edikt verfügte Umwandlung der dort ansässigen Truppen in immobile Defensiveinheiten sowie die von der Zentralgewalt überwachten finanziellen Zuwendungen sehr viel mehr dazu angetan, die Umtriebe in den Sicherheitsplätzen zu kontrollieren und politisch zu integrieren, als politisch autonome Untereinheiten entstehen zu lassen.47

 

VI. Schlussfolgerungen

Andere gesellschaftliche Gruppen mögen ein anderes Verständnis von Toleranz gehabt haben. Doch lassen weder die Rahmenbedingungen noch die konkreten Bestimmungen des Edikts Rückschlüsse auf einen moralisch legitimierten Toleranzbegriff im Umkreis des Hofes zu. Die Genehmigungen (permissions) und Zugeständnisse (concessions) haben sich dem Ziel verschrieben, zunächst den Frieden und damit langfristig die staatliche Einheit zu gewährleisten. Die dissidenten Hugenotten mussten daher der Zentralgewalt unterstellt werden. Zu diesem Zweck wurde eine faktische Duldung dekretiert, deren Grenzen überall dort sichtbar werden, wo diese Duldung nicht mehr als unerlässlich zum Erreichen der Maxime une foi, une loi, un roi erschien. Auch die zeitliche Begrenzung des Gesetzes liegt nicht in der vermeintlich entgegengesetzten Geisteshaltung der Nachfolger Heinrichs IV., sondern war schon in der Intention Teil eines pragmatischen Konzepts, das dazu diente, der Toleranz die Grundlage zu entziehen: Das Ideal bestand in einer von union und concorde geprägten Gesellschaft, in der man nichts tolerieren könnte. Toleranz war also kein erkennbares Ideal der Verfasser des Edikts.

Die Wörter concession und permission sind daher auch keine Synonyme für das, was wir gemeinhin unter Toleranz verstehen und es ist schwer nachzuvollziehen, weshalb solche konkreten juristischen Bestimmungen der "realhistorische" Ausgangspunkt für einen späteren, völlig veränderten Umgang mit einem Begriff sein sollen, der eine abstrakte ideelle Kategorie bezeichnet.48 Und es ist deswegen auch wenig sinnvoll, den Begriff in heutiger Perspektive auf einen Gesetzestext zu applizieren, der keinerlei Hinweise auf die Gedankenwelt der Aufklärung enthält und in dem er noch nicht einmal verwendet wird.49

 

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Bibliografie

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WANEGFFELEN, Thierry: L’Édit de Nantes. Une histoire européenne de la tolérance (XVIe- XXe siècle), Paris 1998.

 

Anmerkungen

1 COTTRET, Bernard, 1598. L’Édit de Nantes. Pour en finir avec les guerres de religion, Paris 1997; GARRISSON, Janine, L’Édit de Nantes. Chronique d’une paix attendue, Paris 1998. GRANDJEAN, Michel/ROUSSEL, Bernard (Hg.), Coexister dans l’intolérance: l’Édit de Nantes (1598) (= Histoire et société Bd. 37), Genf 1998; BIRNSTIEL, Eckart, Das Edikt von Nantes (1598). Triumph oder Scheitern der Reformation in Frankreich?, in: Hugenotten 1/1999, S. 3-26. Weniger dezidiert in diese Richtung geht der ehemalige französische Kulturminister JOXE, Pierre, L’Édit de Nantes. Une histoire pour aujourd’hui, Paris 1998. Das Werk stimmt indes in seinen Interpretationen weitgehend überein mit WANEGFFELEN, Thierry, L’Édit de Nantes. Une histoire européenne de la tolérance (XVIe - XXe siècle), Paris 1998. Einige Passagen sind identisch – z.B.: JOXE 1998, S. 148: "Les places sont tantôt..." bis "...«sous l’autorité et obéissance de Sa Majesté»" entspricht WANEGFFELEN 1998, S. 46.

2 Dieser Meinung ist: SCHREINER, Klaus, Toleranz im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6, Stuttgart 1990, S. 447.

3 Text des Edikts neuerdings in COTTRET 1997, S. 361-384.

4 BIRNSTIEL 1999, S. 3.

5 GARRISSON, Janine, L’Édit de Nantes. Histoire d’une intolérance, Paris 1985; SUTHERLAND, Nicola Mary, The Huguenots and the Edict of Nantes, 1598-1629, in: Irene Scouloudi (Hg.), Huguenots in Britain and their French Background, 1550-1800. Contributions to the Historical Conference of the Huguenot Society of London, 24-25 September 1985, London 1987, S. 158-174; GOLDEN, Richard M. (Hg.), The Huguenot Connection: the Edict of Nantes, its Revocation and early French Migration to South Carolina (= Archives internationales d’histoire des idées Bd. 125), Dordrecht – Boston – Lancaster 1988.

6 LECLER, Joseph, Histoire de la tolérance au siècle de la Réforme, 2. Auflage, Paris 1994 (erste Auflage 1955); KAMEN, Henry Arthur James, Intoleranz und Toleranz zwischen Reformation und Aufklärung, München 1967; HASSINGER, Erich, Religiöse Toleranz im 16. Jahrhundert. Motive – Argumente – Formen der Verwirklichung (= Vorträge der Aeneas-Silvius-Stiftung an der Universität Basel Bd. 6), Basel – Stuttgart 1966; LUTZ, Heinrich (Hg.), Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit (= Wege der Forschung Bd. 246), Darmstadt 1977. SCHREINER 1990. In der Reihe REICHARDT, Rolf/SCHMITT, Eberhard (Hg.), Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1620-1820 wurde das Schlagwort "Tolérance" bislang noch nicht behandelt.

7 GUGGISBERG, Hans Rudolf, Wandel der Argumente für religiöse Toleranz und Glaubensfreiheit im 16. und 17. Jahrhundert, in: LUTZ 1977, S. 458f.

8 Für die Brockhaus Enzyklopädie von 1993 ist Toleranz die "Bereitschaft [...] andere Anschauungen, Einstellungen [...] und Gewohnheiten gelten zu lassen und anzuerkennen..." (Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, Bd. 22, Mannheim 1993, S. 226-227.) Meyers großes Taschenlexikon von 1987 geht mit seiner Definition von Toleranz als "Handlungsregel für das Geltenlassen von..." noch weiter (Meyers großes Taschenlexikon, 2. Auflage, Mannheim – Wien – Zürich 1987, Bd. 22, S. 141.). In beiden Fällen ist Toleranz also nicht die wertfreie Aktion, sondern die der Aktion zugrunde liegende Bereitschaft oder Handlungsregel.

9 Dies schlägt HASSINGER 1966, S. 6 vor, um der "Vieldeutigkeit des Toleranzbegriffs" beizukommen.

10 Dieser Unterschied ist wohl gemeint, wenn SCHREINER 1990, S. 446 von dem " Spannungsverhältnis zwischen passiver Geduld und aktiver Duldung" schreibt. Das französische "tolérance" kommt dem lateinischen Ursprung möglicherweise näher als das deutsche "Toleranz". Dennoch lässt sich "tolérance" sicher nicht mit "Religionsfreiheit" übersetzen, wie die deutsche Übersetzung von LECLER, Joseph, Histoire de la tolérance au siècle de la Réforme, 2 Bde., Paris 1955 das tut (LECLER, Joseph, Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, 2 Bde., Stuttgart 1965).

11 Vgl. LECLER 1994, S. 9; GUGGISBERG 1977, S. 459. Im Wörterbuch der Académie von 1684 nimmt "tolerer" ebenfalls sehr viel mehr Platz ein als "Tolerance" (Le Dictionnaire de l’Académie Françoise, dedié au Roy, Bd. 2, Paris 1684, S. 569).

12 Vgl. SCHREINER 1990, S. 449. Das heutige "Geltenlassen" oder "Anerkennen" (vgl. Anmerkung 8) lässt sich indes weniger leicht von approbare abgrenzen als das neutrale "Dulden".

13 Le Dictionnaire de l’Académie Françoise, dedié au Roy, Bd. 2, Paris 1684, S. 569. DANNHAUSER, Monique, Aus Frankreich nach Deutschland, Egelsbach u.a. 1999, S. 22 verwendet die Definition des Wörterbuchs als Beleg für ihre These, dass das Wort im Frankreich der Frühen Neuzeit pejorativ konnotiert gewesen sei. Anhand dieser Stelle ist das sicherlich nicht nachvollziehbar.

14 In: COTTRET 1997, S. 362. Bei WANEGFFELEN 1998, S. 14 heißt es falsch: "une même forme de religion".

15 In einer Instruktion des Königs heißt es: "La principalle fin que le roy s’est proposée par ledit edict de Nantes a esté pour restablir l’exercice de la religion catholique" ("Das hauptsächliche Ziel, da sich der König mit dem genannten Edikt von Nantes gesetzt hat, war, die Ausübung der katholischen Religion wiederherzustellen.") (zitiert in: VENARD, Marc, L’Église catholique bénéficiaire de l’édit de Nantes. Le témoignage des visites episcopales, in: GRANDJEAN/ROUSSEL 1998, S. 283).

16 Eine Trennung in "concorde civile" und "concorde religieuse" (z.B. WANEGFFELEN 1998, S. 102; TURCHETTI, Mario, L’arrière-plan politique de l’Édit de Nantes, in: GRANDJEAN/ ROUSSEL 1998, S. 113.) erscheint nur im Hinblick auf die Mittel sinnvoll: Zivile Eintracht, damit langfristig gesamte Eintracht. Das Ideal der Eintracht bestand aber in der Homogenität auch in religiösen Fragen (ebenda). Die Kritik (S. 114), dass LECLER 1994 dem Begriff concorde zu wenig Aufmerksamkeit schenkt, lässt sich auf den Großteil der in dieser Arbeit verwendeten Literatur zum Toleranzbegriff anwenden.

17 Vgl. GARRISSON 1985, S. 17; SUTHERLAND 1988, S. 30; TURCHETTI 1998, S. 93; WANEGFFELEN 1998, S. 54; BIRNSTIEL 1999, S. 23. Ebenso beim Augsburger Religionsfrieden, der im Verständnis Karls V. nur so lange Bestand haben sollte, bis sich eine occasio concordiae ergab (vgl. SCHREINER 1990, S. 485f.).

18 TURCHETTI 1998, S. 93. Dies deutet auch programmatisch ein früherer Titel an: TURCHETTI, Mario, Concordia o tolleranza. ("Einigkeit oder Toleranz") François Bauduin e i «Moyenneurs», Genf 1984 (meine Unterstreichung).

19 Einigkeit in Religionsfragen herzustellen, wurde dabei als Pflicht des Königs empfunden (vgl. ROESER, Volker, Politik und religiöse Toleranz vor dem ersten Hugenottenkrieg in Frankreich, Basel – Frankfurt am Main 1985, S. 201f.).

20 GREENGRASS, Mark, France in the age of Henri IV: The Struggle for Stability, 2. Auflage, London 1995 (erste Auflage 1984), S. 13-15 und TURCHETTI, S. 93f. machen darauf aufmerksam, dass der Begriff politiques hauptsächlich pejorativ verwendet wurde. KAMEN 1967, S. 142 ist als Einziger der Ansicht, es habe sich um "zumeist orthodoxe Katholiken" gehandelt.

21 Deutlich wird dies u.a. an Reden L’Hospitals zur Verteidigung der édits de pacification (WANEGFFELEN 1998, S. 99-101; ROESER 1985, S. 84-86, deutsche Übersetzungen in GUGGISBERG, Hans Rudolf (Hg.), Religiöse Toleranz. Dokumente zur Geschichte einer Forderung (= Richard van Dülmen/Jörn Rüsen/Winfried Schulze (Hg.), Neuzeit im Aufbau Bd. 4), Stuttgart 1984, S. 104-106). Für einen kurzen Überblick des Programms ihrer wichtigsten Vertreter: GARRISSON 1998, S. 187-192. Zu Duplessis-Mornay: COTTRET 1997, S. 262f. Die Behauptung von KAMEN 1967, S. 141, L’Hospital sei "moralisch und aus Prinzip gegen die Verfolgung" gewesen, ist demgegenüber nicht nachvollziehbar.

22 Dazu GREENGRASS 1995, S. 100.

23 Dass in den Augen der Zeitgenossen eine solche Gefahr bestand, wird beispielsweise in einer Rede Colignys deutlich, in der es heißt, er könne nicht umhin "faire juger de vostre estat que la ruine d’icelui, ou que du moins il y deust laisser partie de ses membres et de sa force" ("festzustellen, dass Ihr Staat verfällt oder dass er wenigstens einen Teil seiner Mitglieder und seiner Kraft aufgeben muss"). (DUPLEESSIS-MORNAY/COLIGNY, Discours au roi Charles IX pour entreprendre la Guerre contre l’Espagnol es Pays-Bas, 9. (?) Aug. 1572, in: MIECK, Ilja (Hg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht. Französische Politik und europäische Diplomatie, 1570-1572 (= Reinhart Koselleck/Rudolf Vierhaus (Hg.), Historische Texte/Neuzeit, Bd. 8), Göttingen 1969, S. 30). Ende der Neunzigerjahre hatte dieses Problem nichts an seiner Brisanz eingebüßt, wie das anonyme Traktat De la concorde de l’Estat. Par l’observation des Edicts de Pacification von 1599 zeigt, wo von "division" ("Trennung"), "desunion" ("Teilung") und "schisme" ("Schisma") die Rede ist (zitiert in: TURCHETTI 1998, S. 109). Nr. 23: "faire juger..."

24 Vgl. GREENGRASS 1995, S. 122ff., 156-172; TURCHETTI 1998, S. 97.

25 NICOLLIER, Béatrice, Édit de Nantes et traité de Vervins: une simultanéité fortuite?, in: GRANDJEAN/ROUSSEL 1998, S. 135-158. Ebenso: SUTHERLAND, Nicola Mary, The Crown, the Huguenots and the Edict of Nantes, in: Richard M. Golden (Hg.), The Huguenot Connection: the Edict of Nantes, its revocation and early French Migration to South Carolina (= Archives internationales d’histoire des idées Bd. 125), Dordrecht – Boston – Lancaster 1988, S. 31 sowie GREENGRASS 1995, S. 101. Dafür spricht auch der geringe zeitliche Abstand zwischen den beiden Ereignissen: 30. April, Edikt von Nantes und nicht wie oft fälschlich angenommen 13. April (vgl. BOURGEON, Jean-Louis, La date de l’Édit de Nantes: 30 avril 1598, in: GRANDJEAN/ROUSSEL 1998, S. 17-50; GARRISSON 1998, S. 280f. Falsch in: LECLER 1994, S. 514) – 2. Mai Frieden von Vervins.

26 GARRISSON 1985, S. 17; SUTHERLAND 1988, S. 29. GREENGRASS 1995, S. 102 erwähnt als Einziger (irrtümlich?) "57 so-called secret articles".

27 Zuletzt anerkannt in der Normandie 1609 (GARRISSON 1985, S. 24; WANEGFFELEN 1998, S. 28). Die feindliche Haltung des parlement von Paris führte zudem zu einigen Textmodifikationen – im Wesentlichen zu Ungunsten der Hugenotten (vgl. COTTRET 1997, S. 361).

28 Sofern nicht anders vermerkt, handelt es sich hier und im Folgenden um die articles généraux. Die articles secrets ou particuliers, nicht gedruckt in COTTRET 1997, enthalten im Wesentlichen Erklärungen und Präzisierungen (SUTHERLAND 1988, S. 34; GREENGRASS 1995, S. 104).

29 LECLER, Joseph, Die Gewissensfreiheit. Anfänge und verschiedene Auslegung des Begriffs, in: LUTZ 1977, S. 347f. und COTTRET 1997, S. 53 machen deutlich, dass etwa L’Hospital sehr wohl auf dieser Maxime insistierte – im Gegensatz zu GUGGISBERG 1984, S. 103, der meint: "Das Prinzip ‚Ein Glaube, ein Gesetz, ein König‘ verliert seine uneingeschränkte Gültigkeit." Auch Jean Bodin "hielt [...] am politisch-sozialen Integrationswert religiöser Überzeugungen fest" (SCHREINER 1990, S. 489). GUGGISBERG 1984, S. 113 wiederum ungenau.

30 HAAN, Bertrand, Le Saint-Siège et l’édit de Nantes, in: GRANDJEAN/ROUSSEL 1998, S. 367; MIECK, Ilja, Die Entstehung des modernen Frankreich 1450-1610. Strukturen, Institutionen, Entwicklungen, Stuttgart – Berlin – Köln 1982, S. 240.

31 Vgl. LECLER 1977, S. 331-333. Die Formulierung "liberté de conscience" taucht in Artikel 6 nicht auf (in: COTTRET 1997, S. 364). In der Präambel ist nur von "liberté de leurs consciences" (ebenda, S. 362) die Rede. Der Plural wurde vom Apostol. Stuhl als weniger fragwürdig betrachtet als der Singular (LECLER, S. 331).

32 In diesem Sinne auch: GARRISSON 1985, S. 20; JOXE 1998, S. 145.

33 Und nicht an einem Ort, wie von JOXE 1998, S. 131f. und BIRNSTIEL 1999, S. 17 angenommen: Art. 10 berief sich auf das vorangegangene Edikt von Poitiers, präzisiert auf den Konferenzen von Nérac und Fleix 1580, wo es heißt, dass die Hugenotten fünf Möglichkeiten pro bailliage/sénéchaussée vorschlagen können, damit "sa Majesté puisse choisir l’un d’iceux, pour y établir l’exercice" ("seine Majestät einen von ihnen aussuchen kann, um dort den Gottesdienst einzuführen.") (zitiert in: COTTRET 1997, S. 357). Art. 11 gewährte darüber hinaus einen weiteren Ort. Richtige Darstellung in: MIECK 1982, S. 240; GARRISSON 1985, S. 20; GREENGRASS 1995, S. 103; WANEGFFELEN 1998, S. 36. Frankreich war in etwa 120 solcher Verwaltungseinheiten aufgeteilt.

34 BIRNSTIEL 1999, S. 16f.

35 Dafür setzte sich Heinrich IV. wiederholt persönlich ein (WANEGFFELEN 1998, S. 26-29; LECLER 1994, S. 517).

36 Dieses Konzept suggeriert der Untertitel von COTTRET 1997: "Pour en finir avec les guerres de religion", der wohl mit "um die Religionskriege zu beenden" treffender übersetzt ist als von BIRNSTIEL 1999, S. 4: "...wie man Religionskriege zuende bringt". Expressis verbis wird die Deutung, die das Hauptziel des Edikts in der Beendigung der Kriege und der langfristigen Wiederherstellung der religiösen Eintracht sieht, noch einmal wiederholt in COTTRET, Bernard, Pourquoi l’édit de Nantes a-t-il réussi?, in: GRANDJEAN/ ROUSSEL 1998, S. 447. Ebenso: SUTHERLAND 1987, S. 160.

37 Vgl. BIRNSTIEL 1999, S. 21.

38 COTTRET 1997, S. 179; GARRISSON 1998, S. 294-297; WANEGFFELEN 1998, S. 41- 43.

39 So BIRNSTIEL 1999, S. 19f.

40 Ursprünglich Art. 83 und von RICHARD, Michel-Edmond, La vie des protestants français. De l’édit de Nantes à la Révolution (1598-1789), Paris 1994, S. 16 immer noch als solcher angeführt: Art. 37 fiel bei der Eintragung durch das parlement von Paris weg, sodass sich die Nummerierung der folgenden Artikel änderte.

41 ROUSSEL, Bernard, Les synodes nationaux de 1594, 1596 et 1598: le difficile maintien d’une «bonne union et intelligence» entre les églises réformées, in: GRANDJEAN/ ROUSSEL 1998, S. 115ff.

42 Wie von SUTHERLAND 1987, S. 161 behauptet – 1988 jedoch differenzierter (vgl. folgende Anmerkung).

43 Mit Verweis auf den 43. Geheimartikel ist immer wieder von "privilège(s)" die Rede: z. B. WANEGFFELEN 1998, S. 43; JOXE 1998, S. 149; GARRISSON 1985, S. 19 (nicht wiederholt in: GARRISSON 1998, S. 305f.). Dagegen SUTHERLAND 1988, S. 33f. mit ge- nauerer Formulierung als ein Jahr zuvor: "Political assemblies [...] were expressly forbidden in article eighty-two". Ebenso: GREENGRASS 1995, S. 105.

44 Vgl. BIRNSTIEL 1999, S. 18.

45 Die Zahlenangaben zu den places de sûreté variieren enorm: Bei BIRNSTIEL 1999, S. 18 sind es 280, bei LECLER 1994, S. 517 beinahe 200, bei WANEGFFELEN 1998, S. 46 nur 150. Weniger veranschlagen MIECK 1982, S. 241 (84 im Jahre 1610) und RICHARD 1994, S. 15 (51).

46 Von "une sorte d’état dans l’état" spricht z.B.: LABROUSSE, Élisabeth, «Une foi, une loi, un roi?». La Révocation de l’édit de Nantes, Genf – Paris 1985, S. 93. LECLER 1994, S. 517 schreibt: "Ce privilège [...] donnait aux réformés [...] une puissance militaire considérable" ("Dieses Privileg gab den Reformierten eine beträchtliche militärische Stärke"). Sie wurde ihnen jedoch nicht gegeben, sondern hatte vor 1598 längst bestanden (vgl. TURCHETTI 1998, S. 96; COTTRET 1997, S. 71-74)

47 So auch GREENGRASS 1995, S. 105 und BIRNSTIEL 1999, S. 18f.

48 Denn nicht anders lassen sich die Geschichtlichen Grundbegriffe (SCHREINER 1990, S. 447) verstehen: "Das Toleranzedikt von Nantes spricht von liberté de conscience und gebraucht die Wörter permission oder concession, um zum Ausdruck zu bringen, was in der neueren Geschichtswissenschaft mit Toleranz gemeint ist."

49 Für eine grundlegende Kritik an den methodischen Prämissen der Geschichtlichen Grundbegriffe (auch an Koselleck): ALGAZI, Gadi, Herrengewalt und Gewalt der Herren im Spätmittelalter. Herrschaft, Gegenseitigkeit und Sprachgebrauch (= Historische Studien Bd. 17), Frankfurt am Main – New York 1996. Es geht hier zwar um Otto Brunners "Schutz und Schirm". Algazis Kritik an der Annahme (z.B. S. 23-29), die Begriffsbildung folge einem realen Sachverhalt, lässt sich aber auch auf Schreiners "Toleranz" anwenden.

aus Hugenotten 4/2000

 

 

 

  Briefwechsel zwischen dem Großen Kurfürsten und Ludwig XIV.

 

  Was heißt reformiert ?

Eberhard Busch

 

 Calvin und die Einheit der Kirche

Eva-Maria Faber

 

  Der Hugenottenpsalter 

Lilli Wieruszowski

 

  Bekenntnis aus der Gemeinde zu Toleranz

 Weil es zeitlose Notwendigkeiten für menschliches Zusammenlaben gibt hat sich unsere Gemeinde der Initiative für ein Neues Potsdamer Toleranzedikt   angeschlossen und eine Art Bekenntnis formuliert .

 

 

      

 

   

 

   

 

Stand: 19. Februar 2020

 

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