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Johann Ludwig Maximilian Dortu (1826 – 1849)

.... radikaler Demokrat

 

Dortu ist der "rebellische Hugenotte", der nicht in das gerne zitierte Bismarck'sche Klischee von den Hugenotten als den besten Preußen paßt. Seine wohlhabende Familie war mit der ersten Flüchtlingswelle aus Frankreich nach Brandenburg gekommen.

Max Dortu, wie er sich nannte, wurde 1826 in unsere Gemeinde hineingeboren und wohnte in der heutigen Dortustraße 28/29.

Bereits 1849 richtete ihn preußisches Militär als Revolutionär hin. Geistlichen Beistand wies er vor seiner Erschießung zurück.

 

Dortu besuchte die Grand École oder, wie sie heute heißt, die Große Stadtschule und legt vorzeitig als 17jähriger sein Abitur ab. Unserer Gemeinde stand er da vermutlich so kritisch gegenüber, wie der gesamten Kirche. Doch vielleicht war der schwärmerische Demokrate und egalitäre Revolutionär stärker im Herkommen seiner Familie verwurzelt, als es ihm bewußt war.

Die Ordnung unserer Gemeinde, die  Discipline ecclesiastique , die damals galt wie sie heute bei uns gilt, wird immer wieder als wesentlich für die Entwicklung des modernen bürgerlichen Demokratieverständnis bewertet. Konstitutiv für sie sind z.B. egalitäre Synoden. D.h., sämtliche Gemeinden sollten in den Synoden gleichberechtigt sein und kein Synodaler, ob Prediger oder Presbyter, soll Vorrang vor einem anderen haben.

Und gerade während der Jugendjahren Durtus gab es aus unserer Gemeinde heraus wieder einmal etliche Bemühungen, eine Synode einzuberufen. Das war den hugenottischen Einwanderern entgegen ersten Zusagen vom Großen Kurfürsten verwehrt worden. Er quittierte ihr Anliegen mit: "Synodus halt's Maul".

Seine Nachfolger blieben dabei. Das ist einigermaßen überraschend und wohl bislang kaum untersucht, denn die Verweigerung von Synoden war ein schwerwiegender Grund für Hugenotten, aus dem absolutistischen Frankreich Ludwig XIV. zu fliehen.

 

Durtu studierte Jura und wurde Auscultator (Gerichtsreferendar) in Potsdam am Stadtgericht in der Lindenstraße und bekam bei der Bearbeitung so genannter Bagatellfälle viel vom alltäglichen Elend jener Tage mit. Sein Vater, der Rechtsanwalt Justizrat Ludwig Wilhelm Dortu , legte als Abgeordneter, der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, am 6. März 1848, ein bürgerlich liberales Reformprogramm vor. Es fordert Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit, Beendigung von Polizeiwillkür und Umwandlung der preußischen Monarchie von einer absolutistischen in eine konstitutionelle. Die Reaktionen waren ängstlich. Eine große Mehrheit entschied sich für die Beibehaltung des herrschenden absolutistischen Systems. Aber es kam zu Demonstrationen zahlreicher Arbeitsloser und Handwerksgesellen. Die Proteste richteten sich gegen den König und den Magistrat. Das führte dazu, daß Potsdam, wie Berlin, keine ruhige Stadt blieb.

Am 18./19. März 1848 gingen viele Berliner, Dortu unter ihnen, auf die Barrikaden, weil das Militär gegen Demonstranten aufmarschiert war und zu den Waffen gegriffen hatte. König Friedrich Wilhelm IV. konnte aber schließlich gezwungen werden, den 187 Toten auf dem Schloßplatz seine Reverenz zu erwiesen.

In Potsdam beschlossen am 19. März Magistrat und Stadtverordneten zum "Schutz von Ruhe und Ordnung", eine Bürgerwehr zu bilden, die der Stadtkommandant mit Waffen ausstattete. Diese Wehr wurde dann wiederholt gegen Demonstranten eingesetzt.

Daraufhin übersiedelten der König ("Gegen Demokratie helfen nur Soldaten") und sein Hof Ende März in das vermeintlich ruhigere Potsdam, um königstreue Regimenter zusammenzuziehen und die Gegenrevolution vorzubereiten.

Dortu trat damals dem "Politischen Verein" bei und wurde bald, erst 22jährig, dessen Hauptredner und Sprecher.

Am 12. Mai 1848 demonstrierte man gegen die Rückkehr des Prinzen von Preußen, der den Truppeneinsatz während der Berliner Märzkämpfe zu verantworten hatte. Dortu verpaßte ihm bei dieser Gelegenheit den legendären Beinamen Kartätschenprinz, unter dem der Hardliner par exellance in die Geschichte einging. Dortu wurde allerdings wegen Beleidigung des Thronfolgers zu 15 Monaten Festungshaft verurteilt. Er legt mit Hilfe seines Vaters dagegen Berufung ein und erreichte auch die Aussetzung des Urteils und die Entlassung aus der Berliner Hausvogtei.

Die Situation spitzte sich durch Demonstrationen und Meutereien beim Militär weiter zu. Um die Übernahme des Ständeparlaments durch die Revolutionäre zu verhindern, wurde die Verlegung der preußischen Nationalversammlung von Berlin nach Brandenburg in die Wege geleitet. Dagegen rief Dortu  Ende Oktober in Berlin auf dem Kongreß der deutschen Volksvereine zum bewaffneten Widerstand auf.

Ab 12.November galt in Berlin der Belagerungszustand. Um die einsetzende Militärtransporte nach Berlin zu verhindern, mobilisierte Dortu in Potsdam eine Volksmenge, die die Eisenbahngleise zwischen Potsdam und Nowawes herausriß und die Telegraphenverbindungen zerstörte. Am Abend warf die Menge dann Steine gegen das Stadtschloß. Daraufhin wurde Dortu steckbrieflich gesucht:

 

Sicherheitspolizei - Steckbrief

Der Kammergerichts-Ausculator Johann Maximilian Ludwig Dortu, von hier, 22 Jahre alt, ist des Aufruhrs und der Urheberschaft an der, am Sonntag, den 12.d.M., auf der hiesigen Eisenbahn verübten Exzesse, namentlich der Demolierung der Eisenbahnschienen dringend verdächtig und hat sich der Verhaftung durch Flucht entzogen. Sämmtliche Zivil- und Militär-Behördern werden deshalb ergebenst ersucht, auf den sc. Dortu, dessen Personal-Beschreibung und Bekleidung nachstehend angegeben wird, gefälligst Acht haben, ihn im Betretungsfalle verhaften und unter sicherer Begleitung in unserem Gefängnis einliefern zu lassen.

Potsdam, den 18.November 1848.

Königliches Stadtgericht hiesiger Residenz.

 

In Abwesenheit - Dortu war es gelungen, nach Frankreich zu fliehen - verurteilte man ihn zu fünf Jahren Festungshaft.

In Frankreich erwog Dortu, sich dem Befreiungskampf Garibaldis in Italien anzuschließen. Doch begab er sich im Mai 1849 nach Süddeutschland, wo sich Kämpfe um die Annahme der Paulskirchenverfassung anbahnten. Schnell stieg er zum Major und Bataillonschef der badischen Volkswehr auf und kämpfte mutig auch gegen die, wie er schrieb, "andrängenden Preußenhorden", die just ebenjener Kartätschenprinzen kommandierte. Im Juli 1849 wird er von abtrünnigen "Kameraden" in Freiburg verhaftet und den einrückenden preußischen Truppen übergeben.

 

Da die Auscultator-Stelle in Potsdam einen Unteroffiziersposten in der Landwehr mit sich gebracht hatte, konnte Dortu vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Er gestand freimütig den Vorwurf, gegen seine eigenen Truppen die Waffen erhoben zu haben.

Wegen "Kriegsverrats" verurteilte ihn das Standgericht des 1.Armeekorps der Königl. Preußischen Operations-Armee als Deserteur und Hochverräter zum Tod und erschossen ihn am Morgen des 31.Juli 1849 an der Friedhofsmauer von Wiehre b.Freiburg. Auf ein Gnadengesuch beim preußischen König hat er verzichtet.

Über seine Erschießung berichtete der Stuttgarter Anzeiger am 3.8.1849:

 

 „Er ging, ein großer schöner Mann, etwa 24 Jahre alt, mutig und gefaßt, die linke Hand ans Herz gestemmt, in die Mitte des Vierecks, das die Infanterie gebildet hatte … Das Todesurteil wurde verlesen.

Dortu antwortete: Ich sterbe für die Freiheit. Schießt gut, Brüder!

 

Die Eltern Max Dortus emigrieren 1850 nach Frankreich und ließen sich in Toulouse nieder.

Seine Mutter versucht unermüdlich, die Erinnerung an ihren Sohn in Potsdam wach zu halten. So vermachte sie einen Teil ihres Nachlasses der Stadt Potsdam, mit der Auflage:

 

Die Stadt Potsdam soll schuldig sein, mit dem alsdann verbleibendem Rest meines Vermögens eine milde Stiftung zu dem Zwecke zu errichten, in Potsdam geborene arme Handwerksburschen und Gesellen mit baren Geldmitteln zu unterstützen.

Die Stiftung soll nach meinem verstorbenem Sohn den Namen "Max Dortu Stiftung für arme Potsdamer Handwerksburschen und gesellen" erhalten.

 

Der Magistrat richtete daraufhin vorsorglich eine Anfrage an den Kartätschenprinz, dazumal König Wilhelm I.. Der König aber lehnte eine Dortu-Stiftung ab.

 

Eltern hinterließen dann  der Stadt Freiburg ein Vermächtnis (nach heutiger Kaufkraft 250.000 - 500.000 €), mit der Auflage, das Grab Max Dortus auf ewig zu pflegen. Freiburg kommt dem bis heute nach und unterhält das kleine Mausoleum, obwohl der Wiehrener Friedhof längst aufgelassen wurde. Jedes Jahr findet am Erschießungstag Dortus eine Gedenkfeier statt.

 

Maximilian Dortu, entschiedener Republikaner, trat der adelig-monarchistischen Konterrevolution als revolutionärer Demokrat entgegentrat. Er war Vorkämpfer demokratischer Verhältnisse, auf die wir uns heute viel zu gute halten. Die Erinnerung an ihn wird in Potsdam kaum gepflegt, verglichen, z.B., mit seinem persönlichen Widersacher dem Kartätschenprinzen und späteren König und Kaiser Wilhelm I.

 

Aus DDR-Tagen gibt es in Potsdam eine nach ihm benannte Straße und Schule. Der  Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam e.V. müht sich schon Jahre um die Errichtung eines Denkmals für Dortu in Potsdam.

 

Seit 2017 verleiht die Stadt Potsdam alle zwei Jahre den Max-Dortu-Preis.

"Der Preis ist Symbol und Anerkennung für ein Engagement in der Gesellschaft, in der ein demokratisches Miteinander durchaus keine Selbstverständlichkeit ist und deshalb geschützt, geschätzt und vorgelebt werden muss". Erster Preisträger wurde Christian Ströbele, ein ehemalige Bundestagsabgeordneter der Grünen.

 

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Eine gute Biographie mit weiterführenden Literaturhinweisen:

Karl Gass "Zielt gut, Brüder!  Das kurze Leben des Maximilian Dortu"

Reihe POTSDAMER KÖPFE, MärkischerVerlag Wilhelmshorst (2000)

 

 

    

 

       

 

   

 

Stand: 19. Februar 2020

 

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