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Karl Manoury (1894 - 1966)

.... Pastor und Histograph der französisch-reformierten Gemeinden in Brandenburg

 

von Dr. John Shreve

 

Einer der bemerkenswertesten Pfarrer, der je in Brandenburg seinen Dienst tat, war Karl Manoury. Der Sohn des Dragoners und Brückenaufsehers August Manoury kam am 2. November 1884 in Schwedt an der Oder zur Welt. Karl August Eugen Manoury gehörte zu der siebenten Generation einer Familie von Hugenotten, die 1686 in dem Dorf Groß Ziethen angesiedelt worden waren. Diese Herkunft prägte sein Leben.

Im Frühjahr 1914 machte Manoury sein Abitur und begann schon im Sommersemester mit dem Studium der Theologie. Aber der Sommer 1914 brachte den Krieg mit sich. Wie viele andere auch, meldete sich der Student schon am 3. August freiwillig zur Armee In einem Kavallerieregiment diente er dann in Rußland bis er im Juni 1915 verwundet wurde. Nach seiner Genesung war er nicht mehr "felddienstfähig" und verbrachte den Rest des Krieges als Militärbeamter. Nach seiner Entlassung im März 1919 nahm er das Studium sofort wieder auf.

Ordiniert wurde Karl Manoury am 18. Februar 1923. Nach verschiedenen Stellungen als Hilfsprediger, zuletzt in Niemegk, trat er seine erste Pfarrstelle in Reetz an. Am 11. Februar 1925 hielt Karl Manoury seine Antrittspredigt zu 1. Korinther 13, 1-3. Knapp 6 Wochen danach heiratete er Ilse Karsunky, eine Berlinerin. Sie hatten drei Kinder, Karl, Enzio, und Esther, die alle in Reetz geboren wurden.

Karl Manoury hatte einige Seiten, "die im geistlichen Beruf unüblich sind". Als junger Mann war er Ringer und auch im Turnverein aktiv. Er interessierte sich sehr fürs Militär. Fragte man Karl Manoury nach seinem Hobby, pflegte er trocken zu sagen, "Ich spiele mit Soldaten". Gemeint war seine Sammlung von mehr als 20.000 Zinnsoldaten, die er zum Teil mit Hilfe eines Vergrößerungsglases mühevoll selber bemalt hatte. Er war im Zinnsoldatenverein und seine Bücher zum Thema Heraldik und Kostümkunde füllten etwa 10 Meter Regal, und das war nur ein Teil seiner Bibliothek. Manoury las stets drei Bücher gleichzeitig, ein geistliches, einen Krimi und ein Sachbuch, immer abwechselnd, jeweils eine oder anderthalb Stunden.

In Reetz wurde Karl Manoury zum richtigen Seelsorger, der es verstand, Menschen zuzuhören. Er gewann das Vertrauen der Reetzer. Die Menschen erzählten ihm unter anderem von ihrem Aberglauben. Das interessierte ihn sehr, und er verurteilte sie nicht deswegen, denn er, der Pfarrer, war auch abergläubisch. Er lernte die Menschen zu akzeptieren, wie sie sind.

1931 ging Karl Manoury nach Potsdam. Als Nachfolger von Joseph Chambon in der Französisch-Reformierten Gemeinde. Dort diente er bis zu seiner Pensionierung. Über seinen Anfang in Potsdam schrieb er: "Ich fand einen Organisten, Kantor und Küster vor. Der Kantor stand neben der Orgel an einem Pult und sang. Wenn er fehlte, was häufig vorkam, merkte man es nicht. Als der Organist auf meinen Wunsch einen Kirchenchor bildete, fühlte sich der Kantor übergangen und schied aus, was wir sehr begrüßten.". Gleichzeitig diente Karl Manoury als Pastor der Französisch-Reformierten Gemeinde am Berliner Gendarmenmarkt.

Karl Manoury sprach seine Predigten frei. Seine Tochter Esther erinnert sich: "Als wir Kinder waren, ist er immer durch die Stube gegangen und murmelte vor sich her. Das geschah am Freitag. Da hat er seine Predigt ausgearbeitet". Wenn er in Berlin predigte, arbeitete er seine Predigt unterwegs in der S-Bahn aus. In einem Nachruf in der "Hugenottenkirche" heißt es: "Den Prediger Manoury kennzeichnete eine große Nüchternheit und Wirklichkeitsnähe in Sprache und Gedanken. Er wußte, daß der Herr des Himmels der Gott der Erde und Ihrer Menschenkinder sein will".

Dem Dritten Reich stand der politisch interessierte Pfarrer Manoury ablehnend gegenüber. Als am 30. Oktober 1935 der Festgottesdienst zum 250. Jubiläum des Potsdamer Edikts gefeiert wurde, der auch vom Hohenzollern Kronprinz besucht wurde, lehnte es die braune Obrigkeit ab, daran teilzunehmen. Potsdams Oberbürgermeister verlangte von Manoury, die "jüdischen Buchstaben über dem Eingang der Kirche", also die vier hebräischen Buchstaben, die den Namen Gottes darstellen (2.Mose 4,14), zu entfernen. Der Pfarrer lehnte ab. Dafür wollten auswärtige SS-Männer in der Progromnacht vom 9. November 1938 die Kirche anzünden, weil sie meinten, sie wäre eine Synagoge.

Im August 1939 richtete Karl Manoury seinen Luftschutzkeller her, wofür er heftig attackiert wurde: "Unser Führer macht keinen Krieg". Wenige Tage später wurden nachts die Stellungsbefehle zugestellt. Auch der 45jährige Manoury erhielt einen. Bei der schweren Artillerie mußte er am Überfall auf Polen teilnehmen. Im November 1939 wurden die ältesten Soldaten entlassen und der Pfarrer konnte nach Hause zurückkehren. "Nach meiner Rückkehr mußte ich vor den Frauen in Berlin einen Vortrag halten. Eine sehr nazistische Dame fragte, ob ich auch die von den Polen abgehackten Hände und Zungen gesehen hätte. Als ich sagte, daß ich davon überhaupt nichts gesehen und auch nicht einmal in Polen etwas davon gehört hätte, sank ich völlig in ihrer Achtung. Dies Vergehen gegen die nazistische Propaganda hat sie mir nie verziehen."

1944 wurde das Gotteshaus am Gendarmenmarkt durch Bomben zerstört. Die Gemeinde mußte nach Berlin-Halensee ziehen.

"Am 14.4 [1945] abends fand der große Fliegerangriff auf Potsdam statt. Der Brand der Stadt leuchtete so hell, daß man im Zimmer die Zeitung lesen konnte, ich habe es absichtlich ausprobiert." Sowohl das Pfarrhaus als auch die Kirche wurden stark beschädigt.

Nach dem Ende der Kämpfe kletterte Manoury zusammen mit seinem Küster und einem Glaubensbruder aus Rotterdam aufs Dach, um notdürftige Reparaturen auszuführen. "Ich glaube, die beiden Kriege haben auch viele Pfarrer umgewandelt bzw. einen neuen Typus geschaffen, der den Nöten und Sorgen des Lebens näher stand und sie vielfach ganz persönlich mit seinen eigenen Händen anfassen mußte." Am 20. Mai konnte der erste Gottesdienst mit 32 Teilnehmern gefeiert werden.

Die Jahre nach 1945 verliefen ruhig. Manoury beschäftigte sich mit seiner Familie und der Arbeit in der Gemeinde. Mit dem Bau der Mauer mußte Manoury zwar die Westberliner Gemeinde in Halensee aufgeben; er betreute aber weiterhin die Gläubigen in Ostberlin. Und er forschte und schrieb Bücher. Schon während des Krieges hatte er seine zweibändige "Geschichte der Hugenotten-Kirche" veröffentlicht. 1955 erschien "Das Kriegswesen der Hugenotten 1562-1598" und zwei Jahre später "Die Geschichte der Französischen Kirche zu Berlin". In dem oben erwähnten Nachruf hieß es, "Unsere Vorfahren werden uns in seinen Werken mit verständnisvollem Humor nahegebracht, sie treten vor uns nicht als sagenhafte Idealgestalten hin, sondern eben als unsere Schwestern und Brüder!" Manoury galt als Experte für mittelalterlichen Festungsbau. Es wandten sich Autoren von historischen Romanen, darunter Claus Back, an ihn als Fachmann.

Karl Manoury starb am 8. August 1966, wenige Monate nach dem Tod seiner Frau. In dem Nachruf hieß es: "Pfarrer Manoury war der Mann der Gemeinde. Er hielt nicht viel von ökumenischen Träumereien und gesamtkirchlichen Gleichschaltungsbestrebungen. Er prägte uns immer wieder ein: Das Reich Jesu Christi ist zu finden in den Freuden, Problemen und Nöten der einzelnen Gemeinde; der Hausbesuch bei den Alten, Einsamen und Kranken ist wichtiger als Weltreisen der prominenten Kirchenfürsten. Dieser Blick auf den eigenen Kirchturm hat ihm manchmal den Ruf der Engstirnigkeit eingebracht. Er war nicht engstirnig, er wußte nur die richtigen Akzente zu setzen und das zu betonen, was in aller Schlichtheit doch das Wesentliche ist und bleibt."                                                                           21.Mai 2001

 

 

Zur Geschichte der Französisch-Reformierten Gemeinde Potsdam zwischen 1662 und 1953  

Karl Manoury

 

 

    

 

       

 

       

 

   

 

Stand: 19. Februar 2020

 

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