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Roger Louis Schütz-Marsauche - Frére Roger (1915 - 2005)

.... überließ sich dem Willen Gottes und gab sich schlicht selbst hin

 

 

"Geht in eure Kirchen und wirkt dort. Lebt Christus!" Frére Roger

                 

Viele Jahre beeinträchtigte Lungentuberkulose das Leben des jungen Roger Schütz. Während dieser Zeit entwickelte er die Idee, eine Gemeinschaft ins Leben zu rufen, in der - schlicht und einfach - Güte täglich gelebt werden sollte.

Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs wollte Roger Schütz zudem Menschen helfen, die Schweres durchleben.

 

Im Krieg, Ende August 1940, verließ der Fünfundzwanzigjährige die sichere Schweiz mit dem Fahrrad und ließ sich im kleinen Dorf Taizé im französischen Burgund nieder, nahe der Demarkationslinie zwischen dem von Deutschen besetzten und dem noch unbesetzten Teil Frankreichs, um eben hier jene Gemeinschaft zu gründen, die Frieden lebt und auslöst. Dazu kaufte er mittels einer bescheidenen Anleihe einen alten leerstehenden Bauernhof. - Ein geeigneter Ort, um Kriegsflüchtlinge aufzunehmen.

Freunde gaben die Adresse von Taizé an Zufluchtsuchende. Unter den Flüchtlingen, die Roger Schütz und seine Schwester Geneviève beherbergten, waren auch Juden, die vor Deutschen auf der Flucht waren.

Aus Rücksicht auf jüdische aber auch kommunistische Gäste betete und sang Roger Schütz damals oft nur alleine im Wald. Seine Schwester erklärte den Flüchtlingen, es sei  besser, für sich in seinem Zimmer zu beten, damit niemand in Verlegenheit gebracht wird.

 

Doch 1942 teilte ein französischer Freund mit, Roger und Geneviève Schütz seien denunziert worden und müßten unverzüglich Frankreich verlassen. Daraufhin konnten beide noch nach Genf fliehen.

Und tatsächlich, im Zuge der Besetzung Südfrankreichs durchsuchte die Gestapo dann das Haus in Taizé und verhaftete Insassen.

 

Im Sommer 1944 konnte Roger Schütz nach Taizé zurückkehrten. Aber er kam nicht alleine mit seiner Schwester, zwei Freunde hatten sich ihnen angeschlossen und die drei Männer waren entschlossen, eine christliche Lebensgemeinschaft zu beginnen.

Unter Anleitung von Geneviève Schütz kümmerte man sich zunächst mit um Kinder, die im Krieg ihre Familien verloren hatten.

Zu den Sonntagsgottesdiensten lud man auch deutsche Kriegsgefangene aus einem nahegelegenen Lager ein

 

Mit den Jahren kamen weitere protestantische Freunde hinzu. Zu Pfingsten 1949 gelobten sieben Männer Gott, ein einfaches brüderlich-klösterliches Lebensengagement in Gütergemeinschaft zu führen und Versöhnungsarbeit zwischen Menschen verschiedener Nationen, Konfessionen und Klassen zu leisten.

Heute zieht die Communauté oder die Gemeinschaft von Taizé das gesamte Jahr über junge Menschen aus aller Welt an.

Wer nie auf dem Hügel von Taizé betete, wird schwerlich verstehen, warum mittlerweile Millionen junger Christen aller Konfessionen, dazu auch Zweifler aller Herren Länder in den kleinen Ort strömten, sich dort spartanisch selbst versorgten, um die Predigten von Frère Roger zu hören und um mit ihm und seinen Brüdern zu beten und zu singen

 

Frère Roger, wie ihn alle Welt nennt, war der am 12.5.1915 als Roger Louis Schütz-Marsauche im Dorf Provence (Kanton Vaud) geborene Sohn eines reformierten Pastors und einer Französin. In Lausanne und Straßburg studierte er Theologie, um sich dann zum reformierten Pastor ordinieren zu lassen.

 

„Kann ich hier daran erinnern, dass meine Großmutter mütterlicherseits mit ihrer Einfühlensgabe eine Art Schlüssel zur ökumenischen Berufung entdeckt hat und mir einen Weg bahnte, damit ernst zu machen? Ihr Lebenszeugnis prägte mich bereits in jungen Jahren, und nach ihr fand ich meine Identität als Christ darin, in mir den Glauben meiner Ursprünge mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgend jemandem zu brechen.“ (Frére Roger)

 

Die evangelische Communauté de Taizé nahm dann auch Christen anderer Konfessionen auf, den ersten Anglikaner 1960, den ersten Katholik 1969. - Die Bruderschaft wurde zur ökumenischen Gemeinschaft, die heute etwa 100 Brüder aus 25 Nationen zählt, wovon etwa ein Drittel katholisch sind.

Die Communauté ist der einzige Orden der Kirchengeschichte, in dem protestantische, römisch-katholische und orthodoxe Christen im Glauben der einen ungeteilten Kirche Gottes zusammen leben, ohne mit irgendjemandem zu brechen.

Ihren bescheidenen Lebensunterhalt bestreiten die Brüder durch den Verkauf von Erzeugnisse aus eigenen handwerklichen und künstlerischen Werkstätten, durch Herstellung und Vertrieb von Büchern und Tonträgern sowie aus Einkünften von Brüdern die in einem profanen Beruf arbeiten. Geschenke und Spenden werden nicht angenommen.

Einige Brüder leben in Asien, Afrika und Südamerika mit den Ärmsten.

Diese ganz unzeitgemäß lebenden Brüdern in Taizé entwickeln - besonders für Jugendliche - eine kaum ergründbare Anziehungskraft, die oftgenug mancheine/n plötzlich veranlaßt, die nicht sonderlich originellen biblischen Themen der Gemeinschaft, nämlich Nächstenliebe, Frieden und Versöhnung neu zu bedenken und zu leben.

 

Frère Roger war versiert in der Ausleger der Bibel. Aber wohl genau deshalb hat er theologische Erkenntnisse nie dogmatisch vertreten und nie einen exklusiven Glauben gepredigt. Theologie verstand er als Rückkehr zu biblischen Wurzeln, besonders zu den einfachen guten Botschaften von Jesus Christus. Diese Botschaften werden in Taizé mit beeindruckender Schlichtheit gelebt, bezeugt und vermittelt. Sie heißen Versöhnung und Gewaltlosigkeit, oder Leidenschaft der Hoffnung. Christus, so wurde Frère Roger nicht müde zu versichern, hat Frieden in Aussicht gestellt. Frère Roger regt an, das schon jetzt zu leben. Vielleicht liegt in dieser einfachen Botschaft und den - oft auch meditativ gesungenen - unkomplizierten Gebeten das Geheimnis der bewegenden Wirkung.

Und, Taizé bietet Zeit, nachzudenken. Dort macht Wiederholung nicht kraftlos, sondern vermittelt Energie.

Es sind aber nicht nur der einfache Lebensstil, die uneitle Bescheidenheit der Brüder, die Besucher fasziniert und in das unscheinbare Örtchen zieht, sondern auch ein einfacher, unverstellter Glaube, der das Evangelium beim Wort nimmt und es als die größte Provokation versteht, die in einer gewalttätigen Welt denkbar ist. Jedenfalls haben viele durch Begegnungen mit den Brüdern erlebt, was die Kirche ist, nämlich Begegnung mit dem einen lebendigen Gott.

 

In Taizé verständigt man sich zwar vornehmlich französisch, doch in der Liturgie, die evangelische wie orthodoxe Elemente mit Elementen der römisch-katholischen Messe verbindet, haben alle Sprachen Raum.

Man kommt zusammen, um gemeinsam zu beten und zu singen - oder einfach, um miteinander zu sprechen, aufeinander zu hören und um ein paar Tage lang Seite an Seite zu leben. - Da gibt es morgens gut besuchte Bibelgespräche mit den Brüdern, doch theologische Debatten oder gar Diskussionen über das Funktionieren kirchlicher Institutionen treten dabei von selbst in den Hintergrund. Deshalb wurde auch schon der Vorwurf laut, in Taizé werde eine Ökumene des «kleinsten gemeinsamen Nenners» gepflegt. Frère Roger sagte, er hätte seine christliche Identität erst gefunden, als sich die "Glaubensströmung meines evangelischen Ursprungs mit dem Glauben der katholischen Kirche versöhnte". Das brachte ihm von protestantischer Seite fundierte Kritik ein. Doch seine weitherzige "untheologische" und liebevolle Hinwendung zu Menschen führte dazu, daß seinen Initiativen hohe und breite Wertschätzung widerfuhr, sowohl durch Hunderttausende Jugendliche, den Ökumenischen Weltkirchenrat, wie durch mehrere orthodoxe Patriarchen und röm.-katholische Päpste, als auch durch den anglikanischen Erzbischof von Canterbury.

Letztlich entzog sich Frère Roger allen Kirchen - auch indem sie nicht thematisiert wurden - ohne sich von ihnen zu separieren. Er überwand Grenzen, die theologische Systematisierung, nicht die Heilige Schrift. gesetzt hat. Damit befremdet er nahezu alle, die ihn nicht nur darin wahrnehmen worin sie selbst bestätigt finden. Damit bezog und beanspruchte Frère Roger - in aller Bescheidenheit - aber auch individualistische Positionen, mit denen er sich kritikwürdig und für Interessengruppen nutzbar machte. So sagte er über sein Verhältnis zum Katholizismus öffentlich und in Gegenwart von Papst Johannes Paul II., er habe seine eigene Identität als Christ gefunden, indem er den Glauben seiner Herkunft mit dem Mysterium des katholischen Glaubens versöhnt habe, ohne aus der Gemeinschaft mit irgend jemandem auszutreten.

Wesentlicher bleibt aber: Aus Taizé wird jede/r zum Dienst in seine konkrete Gemeinde zurück gesandt.

 

Der «Erschütterung der geistlichen Werte» versuchte Frère Roger durch seine Texte, sein tagtägliches Wirken, wie durch sein unaffektiertes Charisma entgegenzutreten:  mit Güte, Bescheidenheit, in Hoffnung und Vertrauen auf Gott. Bis an sein Lebensende verlor er, obwohl schließlich sehr gebrechlich, nichts von seiner großen Ausstrahlung. Er zeigte und lebte, daß die Trennung zwischen Protestanten, Katholiken und Orthodoxen nicht unüberwindbar ist, zumindest in Taizé.

 

Der sanftmütige weise Frère Roger wurde im Gebet - umringt von Kindern - am Abend des 16. August 2005 erstochen. Wie gewöhnlich hatte er sich mit zahlreichen Jugendlichen in der Versöhnungs-Kirche von Taizé zusammengefunden.

 

Was am Tag darauf in Taizé alles nicht geschah:

Das Programm blieb unverändert, nur den Kinder wurde von der Auferstehung aus der Bibel vorgelesen.

Es gabt keine Trauerbeflaggung.

Nirgendwo war ein Foto des Toten aufgestellt.

Im Laden waren die wenigen Karten, die Frère Roger zeigen - von hinten beim Gebet - keineswegs vergriffen.

Die Besucher trugen keine Trauerkleidung.

Nirgendwo lagen Blumen oder Plüschtiere aufgehäuft, auch nicht an den folgenden Tagen. Einzelne Rosen und Nelken die niedergelegt wurden -- immer wieder räumte sie jemand weg.

Nur am Abend danach lag an der Stelle, an der Frère Roger ermordet wurde ein Strauß Margeriten.

 

Das Leben von Friedensstiftern endet manchmal auf eine Weise, die absurd erscheint. Auch Martin Luther King oder Mahatma Gandhi ist es so ergangen.

Als Martin Luther King starb, gab es Krawalle. Als Frère Roger starb, trugen ihn seine Brüder aus der Kirche ohne ihr Gebet zu unterbrechen. Nach kurzer Pause von vielleicht einer Minute stimmten die Zurückgebliebenen Lied Nummer 23 an: Laudate omnes gentes, laudate dominum. (Lobt, alle Völker, lobt den Herrn).

 

Später war von tiefer Betroffenheit darüber zu lesen, wie die vom Präsidenten des Päpstlichen Einheitsrates, Kurienkardinal Walter Kasper geleitete Trauerfeier für den Protestanten Roger Schütz in der mit Blumen und religiösen Bildnissen ausgestatteten Versöhnungs-Kirche als römisch-katholische Messe gefeiert wurde. Zum Abendmahl waren die Repräsentanten protestantischer und orthodoxer Kirchen ausdrücklich ausgeladen. ---

 

 

 

    

 

       

 

   

 

   

 

Stand: 19. Februar 2020

 

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